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Ein Bericht mit Fotos von Dajana Prosser-Gehn




In einer Zeit, in der sich viele Menschen wieder an die Musik ihrer Jugend erinnerten, beschlossen vor 26 Jahren drei Bands aus der damaligen DDR sich zusammen zu schließen und gemeinsam auf Tour zu gehen: LIFT und electra aus Dresden, sowie die Stern-Combo Meißen aus Meißen. Schnell war dann auch ein Name für die Unternehmung gefunden, und was lag bei ihrer Herkunft näher, als es nach der gleichnamigen Briefmarke "Sachsendreier" zu nennen?! Die Premiere fand im Herbst 1997 in der Nähe von Meißen statt. Massen von Fans und Sympathisanten strömten zum Konzert, um die "Helden ihrer Zeit" wieder live zu erleben. Bis heute fanden nicht nur unzählige Konzerte statt, sondern es erschienen auch zwei Live CDs, ein Buch sowie eine DVD. Leider löste sich ein Teil des Sachsendreiers, nämlich electra, im Jahre 2015 auf, weshalb der Weg dieses Konzepts danach erst mal beendet war. Es sah lange Zeit so aus, als würde man den Sachsendreier nie mehr live erleben können. Aber sag niemals nie: Acht Jahre später formierte er sich neu. Mit LIFT und Stern Meißen gibt es zwei der drei Kultbands immer noch, und mit der Hinzunahme einer weiteren Band aus Sachsen, Karussell aus Leipzig, wurde die Lücke für die Neuauflage des Sachsendreiers geschlossen.


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Foto: Veranstalter (Marc Opre aka Swen & Marc)



Am 21. Juli 2023 kamen die Sachsen nach Rüdersdorf. Genauer in den Museumspark. Er ist der größte Park für Industriegeschichte in der Region und bietet direkt am Wasser (Strausberger Mühlenfließ) eine wundervolle Location für Konzerte. Bei solch einem idyllischen Landstrich müsste eigentlich nur die Sonne scheinen, um für perfekte Voraussetzungen zu sorgen. Aber genau an diesem Tag durfte man nicht in Richtung Himmel schauen. Dunkle Wolken zogen aus der Ferne heran, aber ich redete mir ein, der Wettergott würde uns gnädig sein und den Regen erst nach dem Konzert dort niederprasseln lassen. Wie sollte ich mich da doch irren.

Pünktlich um 19.30 Uhr betrat mit den Musikern der ersten Gruppe ein Drittel des neuen Sachsendreiers die Bühne. Karussell war als Erstes an der Reihe. Namentlich kannte ich die Band und einige ihrer Lieder durch die Konzerte von Dirk Michaelis, aber live hatte ich sie bis dahin noch nie erlebt. Entsprechend freute ich mich daher auf mein erstes Mal mit ihnen. In der Vergangenheit vernahm ich oft von anderen Leuten, dass Karussell eher Mädchenmusik machen sollen. Ich habe keine Ahnung, was damit gemeint war, und weiß es auch nach ihrem Auftritt in Rüdersdorf noch immer nicht. Vielmehr rockten sie die Bühne und wenn das, was Karussell da geboten haben, Mädchenmusik sein soll, haben die Leute, die das behaupten, und ich völlig unterschiedliche Ansichten, was Musik betrifft. Den einzigen großen Unterschied, den ich zu den beiden anderen Bands ausmachen konnte, waren die Inhalte der Lieder. Da gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie Botschaften transportiert und Themen lyrisch umgesetzt werden. Aber handwerklich hat das nichts mit Mädchenmusik zu tun. Ich wippte jedenfalls vom ersten Ton an mit den Füßen und war nicht die Einzige. Sicherlich hätte man auch gleich die Tanzfläche erobern können. Aber man weiß ja, dass der Ansturm auf die Tanzfläche immer etwas dauert. Das hat weniger was mit der Musik, als mit der Bereitschaft, einer der ersten da vorn sein zu wollen, zu tun. Manch einer braucht auch einen Schubs Richtung Tanzfläche. Einer der beiden Sänger von Karussell ist Joe Raschke, der das ganze Konzert über lächelte und grinste. Die ganze Band - auch Reinhard "Oschek" Huth als zweiter Sänger - war extrem gut drauf und man spürte förmlich die Lust aufs gemeinsame Musizieren. Klassiker aus ihrer langen Bandgeschichte, wie z.B. "Wie ein Fischlein unterm Eis", "McDonald" oder auch "Entweder oder", erklangen. Die Karusseller, wie sie von ihren Fans genannt werden, heizten dem Publikum von der ersten Sekunde richtig ein. Nach 30 Minuten verließen sie die Bühne und machten dem nächsten Programmpunkt Platz.


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Vor der Show (Foto: Veranstalter)



Nun war die Gruppe LIFT an der Reihe. Eigentlich ist von den dienstältesten Musikern dieser Band nur noch der Sänger Werther Lohse dabei, und selbst er ist kein Gründungsmitglied. Am Keyboard sitzt bei LIFT inzwischen Andreas Leuschner, ein ehemaliges Mitglied der Gruppe electra, und mit seinem Mitwirken in der Band von Lohse war die Dresdener Kultband electra dann doch irgendwie auch wieder ein Teil vom Sachsendreier. LIFT wird in diesem Jahr 50. Die Band ging 1973 aus dem Dresden Septett hervor. Ein Jahr später stieg dann Werther Lohse ein, der damals von der Gruppe Vitamin C kam. Über Jahre wurde der Sound von LIFT von erstklassig gespielten Keyboards und dem Gesang Werther Lohses geprägt. Und auch hier in Rüdersdorf war Werther Lohse wirklich bemüht, an die Leistungen alter Tage anzuknüpfen. Der inzwischen 74-jährige wurde außer von dem Kollegen Leuschner an den Tasten noch von Jacob Müller an der Bassgitarre und Markus Christ am Schlagzeug begleitet. Die beiden zuletzt genannten sind noch ziemlich jung und waren nicht nur für mich eher unbekannt. Das wirft dann immer auch die Frage auf, ob das dann noch was mit der ursprünglichen Band zu tun hat, oder ob die Gruppe deshalb nicht einfach einen anderen Namen tragen sollte. Mit der geschickt gewählten Song-Abfolge eroberte LIFT jedoch im Schnellverfahren die Herzen der Fans. Gleich mit "Am Abend mancher Tage" legte die Band los. Zwischen den Liedern erzählte Werther Lohse was zu den einzelnen Titeln, und das Publikum lauschte andächtig. Ganz locker setzte er sich an den Bühnenrand und sang. Im Zusammenspiel mit den Musikern wirkte das alles ziemlich locker und leicht. Mittlerweile zog der Wind schon stürmischer vorbei, aber trotzdem ging es mit den großen Hits "Mein Herz soll ein Wasser sein" - im Original von Stephan Trepte gesungen - und "Nach Süden" weiter. Auch LIFT erlebte ich in Rüdersdorf zum ersten Mal live. Die Songs kannte ich jedoch alle schon, allerdings gesungen von Stern-Meißen-Frontmann Manuel Schmid in dessen Soloprogramm. Er hat sich u.a. der Musik des Ostens verschrieben und förmlich inhaliert, darum gehören in seine Konzerte natürlich auch die Titel von LIFT. Nun hörte ich sie erstmals vom Originalsänger. Leider ging dessen Stimme aber immer mehr vom stetig lauter werdenden Sturm, der näher und näher kam, unter.

Nach einer Stunde betrat Stern Meißen die Bühne im Museumspark Rüdersdorf. Inzwischen gesellte sich zum Wind auch noch der Regen hinzu. Das tat unserer Stimmung jedoch keinen Abbruch. Wir waren von der Musik gut in Stimmung, standen einfach auf und stürmten nun doch die Tanzfläche. So schnell kann's manchmal gehen. Sogar ohne Schubser … Aber nach zwei Songs musste das Konzert erst einmal unterbrochen werden. Das Wetter machte es nötig, dass Technik und Musikinstrumente vor der Nässe geschützt werden mussten. Was sich vorher schon durch Wind und Regen ankündigte, entlud sich nun in einem fast 30-minütigen Regenguss vom Feinsten. "Rette sich wer kann", hieß die Parole. Manche suchten Unterschlupf bei den Pavillons und andere entdeckten, dass es am angrenzenden Spielplatz Möglichkeiten gab, sich unter einem Spielgerät trocken unterzustellen. Als es ein wenig nachließ, strömten wir alle wieder vor die Bühne und auch die "Sterne" kamen wieder zurück. Manuel sang und seine Kollegen spielten den Regen förmlich weg. Es war einfach schön, dass keiner das Konzert verließ und nach Hause ging. Das war gut, denn die Stimmung wurde noch besser als sie es vor der unfreiwilligen Pause sowieso schon war. Man fühlte sich noch mehr miteinander verbunden. So wie es sein soll.


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Mit Michael Lehrmann an der Gitarre stand in der zweiten Konzerthälfte der "Sterne" ein alter Bekannter mit auf der Bühne. Normalerweise gibt es keinen Gitarristen in der aktuellen Besetzung der Band, aber während der "Pop-Phase" in den 80ern gehörte Micha zur Truppe dazu. Für die Sachsendreier-Tour kehrte er zu den alten Kollegen zurück, denn er ist ein begnadeter Gitarrist und entsprechend eine Bereicherung für den Sound. So setzte er sein Instrument passend ein und gab den einzelnen Stücken mit seiner Fingerfertigkeit an den sechs Saiten eine besondere Note. Ich mag es eh rockiger und das war grandios. Ich denke, dass wir im nächsten Jahr Großartiges von Stern Meißen erwarten dürfen, schließlich muss das 60. Jubiläum der dienstältesten Artrock-Band Deutschlands gebührend gefeiert werden. Bei ihrem Auftritt in Rüdersdorf begeisterten sie bereits mit ihren Hits "Die Sage", "Kampf um den Südpol", "Freiheit ist" und vielen anderen ihrer Songs. Man ist einfach ergriffen von der Spielfreude und der immens großen Masse an Titeln, die sie bisher erschaffen haben, und zollt ihrem Schaffen Respekt. Zwischendurch zählte ich einfach mal die Keyboards, Synthies und Moogs auf der Bühne. Wenn ich es richtig sehen konnte, waren es 15 verschiedene Tasteninstrumente, die da von den drei teilnehmenden Gruppen aufgebaut waren. Ein Wahnsinn. Was für ein Arsenal!

Alle Bands, die da jetzt als Sachsendreier 2.0 auf der Bühne stehen, haben mit den Jahren einige personelle Veränderungen erlebt. Die eine mehr, die andere weniger. Alt und jung stehen dort gemischt nebeneinander, und es tut ihnen überwiegend richtig gut. Sie ergänzen sich fabelhaft und tragen sich gegenseitig. Im Sommer 2023 hörte man immer wieder mal, dass der Sachsendreier ohne electra kein Sachsendreier sei. Besonders in den sozialen Netzwerken wurde darüber heftig diskutiert. Ich kann das nicht beurteilen, denn electra hab ich in der Konstellation mit LIFT und Stern Meißen nie erlebt. Karussell ist aber eine wunderbare Band und passt zumindest für meinen Geschmack großartig da rein. Trotzdem setzen wir ein "2.0" hinter den Namen, damit es zumindest hier auf der Seite unterscheidbar ist.

Natürlich erwarteten wir, dass es auf jeden Fall noch was Gemeinsames von allen Bands geben würde. Das war ja früher auch schon immer so, wie überall zu lesen und auf der DVD auch zu sehen ist. Vorher würden wir die drei Kapellen auch auf gar keinen Fall von der Bühne lassen. Wir wurden in den Zugaben dann auch tatsächlich belohnt, u.a. mit dem inzwischen zum Volkslied gereiften "Wer die Rose ehrt". Dieses Lied vermag mehr als nur Gänsehaut auszulösen. Meinetwegen hätten die drei Bands gerne auch alle Songs vorher schon gemeinsam performen können. Das hätte sicher genauso grandios geklungen, wie diese Zugabe am Schluss.


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Foto: Veranstalter (Marc Opre aka Swen & Marc)



Am Ende der Mugge waren wir zwar alle bis auf den Schlüppi durchnässt, aber unsere Herzen waren mit so viel Wärme durchflutet, dass wir ganz beseelt nach Hause fuhren. Das Highlight dieser Dreier-Konstellation ist Stern Meißen. Was diese Band auf die Bühne bringt, sucht Seinesgleichen. Sound, Spielweise, Stimme des Frontmanns … alles durchweg Bestnoten. Auch Karussell hat Spaß gemacht. Dass diese Band schon ein paar Tage länger zusammen spielt, ist seh- und hörbar. Größter Profiteur dieses Konzepts ist meiner Meinung nach aber LIFT bzw. Werther Lohse, der immer noch die Lieder dieser Band weiter in die Welt trägt. Hört man diese auf CD oder von Manuel in seinen Konzerten gesungen, ergeben sich zu der in heutigen Tagen gezeigten Leistung doch schon große Unterschiede. Allerdings bringt Andreas Leuschner mit seinem Tastenspiel ein Stück der alten Zeit und des alten Sounds wieder zurück. Als Fazit bleibt zu sagen: Der Sachsendreier ist wieder da und wir hoffen, dass man sie noch viele weitere Jahre erleben darf.



Termine:
05.08.2023 - Chemnitz - Küchwaldbühne
11.08.2023 - Borna - Volksplatz
01.09.2023 - Kamenz - Hutbergbühne
03.09.2023 - Torgau - Schloss Hartenfels
10.09.2023 - Gotha - Schloss Friedenstein

Alle Angaben ohne Gewähr! Tour wird fortgesetzt …











   
   
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